Konjuh Planinom

Konjuh Summit from Zidine

Auf dem Berg Konjuh … – das Partisan*innenlied „Konjuh Planinom“

„[…] Mrtvoga drugara, husinskog rudara,
Sahranjuje četa proletera.“

„[…] ein toter Freund, ein Bergmann aus Husino,
es begräbt ihn eine Gesellschaft von Proletariern.“

Wir arbeiten gerade mit Nachdruck an einer Interpretation des jugoslawischen Partisan*innenliedes „Konjuh Planinom“ (dt: Auf dem Berg Konjuh). Diesen Monat vor 79 Jahren, im Oktober 1941, starb der Partisan und antifaschistische Widerstandskämpfer Petar Pejo Marković auf diesem Berg Konjuh. Dazu möchten wir euch gerne einige Informationen an die Hand geben.

Hintergrund: Die Lage in Bosnien ab 1941

Nachdem die deutsche Wehrmacht ab dem 06. April 1941 im Zuge des Balkanfeldzugs nur elf Tage gebraucht hatte, um die königlich-jugoslawische Armee zur Kapitulation zu zwingen, erfolgte die Zerschlagung des südslawischen Staates und anschließend die Aufteilung desselben zwischen dem nationalsozialistischen Deutschland und dem faschistischen Italien. Dabei entstand ein Flickenteppich von annektieren Gebieten, okkupierten Regionen und willigen Vasallenstaaten. Bosnien und die Herzegowina wurden dem neu entstandenen „Unabhängigen Staat Kroatien“ zugeschlagen. Da sich der populäre Führer der Kroatischen Bauernpartei Vladko Maček weigerte, einem solchen Marionettenstaat vorzustehen, hievten die Deutschen Ante Pavelić und seine faschistische Ustaša-Bewegung ins Amt. Anders als in (Rest-)Serbien, wo General Milan Nedić, welcher sich nur auf die faschistische ZBOR-Bewegung stützte, so gut wie keinen Rückhalt in der Bevölkerung genoss, sympathisierten in Kroatien nicht wenige mit der Herauslösung aus dem ungeliebten Königreich. Diese nationalistischen Tendenzen zogen sich bis tief in Teile der Kommunistischen Partei Kroatiens. Doch die anfängliche Begeisterung währte nicht lange. Nicht nur die erzwungene Abtretung großer Teile der dalmatinischen Küste und der Bucht von Kotor an Italien ließ den Traum vom Groß-Kroatien zu einem kroatischen Albtraum werden, auch konnten sich viele Kroat*innen mit dem chauvinistischen Weltbild der Ustaša, welches diese auch zunehmend in die Tat umsetzte, nicht identifizieren – von bosnischen Serb*innen und Muslim*innen ganz zu schweigen.

Währenddessen begann die deutsche Besatzungsmacht, den Völkermord an den jugoslawischen Juden*, Jüdinnen* und Rom*nija durchzuführen. Dabei fand sie in der Ustaša tatkräftige Unterstützung.

Der Angriff Deutschlands auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 schließlich fungierte als Initialzündung für die Aufnahme des Partisan*innenkampfes in Jugoslawien.

Verglichen mit anderen Teilen Jugoslawiens verfügte die Kommunistische Partei in Bosnien und der Herzegowina nur über wenige Mitglieder und damit über eine schwache Infrastruktur. An einen flächendeckenden Aufstand – wie etwa in Montenegro ab dem 13. Juli 1941 – war gar nicht zu denken. Doch gelang es ihr, durch die Aufstellung kleiner Partisan*inneneinheiten stetig Boden zu gewinnen.

Langfristig sollte sich der multiethnische Charakter Bosniens positiv auf die Mobilisierung für die Volksbefreiungsarmee auswirken. Manche Gegenden des Landes wurden wechselseitig immer wieder von Besatzungstruppen, Ustaše und Tschetniks heimgesucht. Die unbeschreiblichen Gräuel, welche kroatische Ustaše und serbische Tschetniks an den jeweils anderen Volksgruppen verübten, sowie die „Sühnemaßnamen“ von Wehrmacht und SS trieben selbst jene, die dem Marxismus kritisch bis ablehnend gegenüberstanden, aus schierer Verzweiflung in die Arme der Tito-Partisan*innen. Auch die zunehmend zwischen die Fronten geratenden bosnischen Muslim*innen schlossen sich vermehrt der Volksbefreiungsbewegung an. Diese konnte glaubhaft vermitteln, dass sie gleichzeitig als Emanzipationsbewegung aller und jeder einzelnen Ethnie fungierte und dies auch bei einer zukünftigen gesellschaftlichen Neuordnung Jugoslawiens berücksichtigen würde.

Gegen Ende des Krieges kämpften 140.000 bosnische Partisan*innen unter Titos Führung.

Petar Pejo Marković und die Ozren-Brigade

Petar Marković – Pejo
Petar Marković – Pejo (geboren am 07.07.1920, gestorben im Oktober 1941)

Pejo wurde am 07. Juli 1920 im Dorf Lipice in der Nähe der Stadt Tuzla in eine katholische Bergarbeiterfamilie geboren. Da er im Alter von acht Jahren seinen Vater verlor, war er gezwungen, sich in den Dienst wohlhabender Familien zu stellen. Bei der Arbeit kam er in Kontakt zur Revolutionären Jugend in Husino. Er trat dem kommunistischen Jugendverband SKOJ und Anfang 1941 der Kommunistischen Partei Jugoslawiens bei.

Nach der Besetzung Jugoslawiens arbeitete er daran, Waffen zu sammeln und Bergleute zu mobilisieren, um sich den Partisan*innen anzuschließen. Im August 1941 war er Organisator der Abreise einer ganzen Gruppe von Bergleuten aus Husino zu den Partisan*innen. Er zeichnete sich durch die erste und bekannte Aktion der Ozren-Partisan*innenabteilung beim Angriff auf Doboj und Usora aus. Bei diesem Unternehmen wurde eine große Anzahl feindlicher Flugzeuge, Kanonen und Gewehrmunition in die Luft gesprengt. Er nahm auch an den nächsten Schlachten der Abteilung auf die Tuzla-Doboj-Eisenbahn teil.
Als ein Teil der Ozren-Abteilung zusammen mit der Birčani-Abteilung im Oktober 1941 an dem Angriff auf Kladanj teilnehmen sollte, gehörte Pejo zu den etwa einhundert Kämpfenden, die sich gezwungen sahen, in 24 Stunden das feindliche Gebiet um den Konjuh-Berg zu durchbrechen und sofort in den Kampf einzutreten. In zwei Tagen des Kampfes eroberte die Ozren-Abteilung Stupari, zerstörte das Wasserversorgungssystem von Tuzla und die große Steinbrücke. Bei dieser Gelegenheit wurden die gesamte in die Schlacht verwickelte Kroatische Heimwehr geschlagen und mehrere Maschinengewehre beschlagnahmt. Pejo nahm als Kompaniechef an diesen Schlachten teil. Der Feind wurde zurückgeschlagen, aber Pejo wurde schwer verwundet. Seine Mitstreiter*innen wickelten ihn in Decken und trugen ihn auf einer Trage durch die Nacht über den Berg Konjuh zurück. Als sie die Spitze des Berges erreichten, bemerkten sie, dass er unterwegs gestorben war. Er wurde unweit des Gipfels des Konjuh-Bergs begraben. Sein genauer Todestag ist nicht bekannt.

Aufstieg zum Grab von Petar Pejo Marković auf dem Berg Konjuh, Foto: Edita Mušić, 2018
Aufstieg zum Grab von Petar Pejo Marković auf dem Berg Konjuh, Foto: Edita Mušić, 2018

Entstehung des Liedes

Während der Überquerung einer Gruppe ostbosnischer Bataillone über den Konjuh (26. Mai 1942) verweilten ehemaliger Mitstreiter*innen von Pejo an der Stelle, an der er begraben wurde, und schwenkten eine rote Fahne. Das inspirierte den Kämpfer Miloš Popović, Professor für Philosophie, Dichter und Partisan, der schon an der Beerdigung und später der Gedenkzeremonie teilgenommen hatte, das Lied „Konjuh Planinom“ zu entwerfen.
Die Musik für das Lied wurde von Oscar Danon, einem bedeutenden jugoslawischen Komponisten, geschrieben, der ebenfalls am Nationalen Befreiungskrieg teilgenommen hat.

Nachwirkungen

Durch Dekret des Präsidiums der Nationalversammlung der Bundesrepublik Jugoslawien vom 20. Dezember 1951 wurde Pejo zum Nationalhelden ernannt.

In der öffentlichen Wahrnehmung wird das Lied „Konjuh Planinom“ immer wieder mit dem „Aufstand von Husino“ in Verbindung gebracht – einem im Jahr 1920 im damaligen „Königreich der Serben, Kroaten und Slovenen“ von den Gewerkschaften und der KPJ organisierten Bergarbeiterstreik, welcher sich zu einem bewaffneten Aufstand ausweitete und von der königlichen jugoslawischen Armee blutig niedergeschlagen wurde. Tatsächlich gilt es als sehr unwahrscheinlich, dass das Lied zu diesem Zeitpunkt bereits existierte. Die einzige Verbindung zwischen dem Streik und den Aktivitäten der Partisan*innen gut zwanzig Jahre später scheint zu sein, dass es sich jeweils um Bergarbeiter aus Husino handelte.

Unter der Regie von Fadil Hadžić entstand 1966 ein jugoslawischer Monumentalfilm, im welchem die Ereignisse im Oktober 1941 mit künstlerischer Freiheit verarbeitet wurden.

Das Grab von Petar Pejo Marković
Das Grab von Petar Pejo Marković, Foto: Dalibor Pasalic

Im sozialistischen Jugoslawien erfreute sich das Lied großer Beliebtheit. Aufgrund seiner traurigen Thematik und der melancholischen Grundstimmung wurde es häufig auf Beerdigungen aufgeführt bzw. gesungen.

Auch heute noch ist „Konjuh Planinom“ Teil des kollektiven Gedächtnisses. Als im Februar 2014 die Massenerhebungen gegen Korruption und Massenarbeitslosigkeit („Bosnischer Frühling“) ausbrachen, sangen die demonstrierenden Menschen dieses Lied. Es waren die ersten Proteste in Bosnien-Herzegowina nach dem Zerfall Jugoslawiens, an denen sich alle ethnischen Gruppierungen des Landes mit einem gemeinsamen Ziel beteiligten.

Nach „Hej haj Brigade“ ist „Konjuh Planinom“ unser zweites Lied in serbokroatischer Sprache. Wir möchten mit ihm an die mutigen Kämpfer*innen erinnern, die unter widrigsten Bedingungen ganz wesentlich zur Befreiung der Menschen vom Faschismus in Jugoslawien beigetragen haben.

Smrt fašizmu, sloboda narodu!

 

Titelfoto: Konjuh mountain summit – photo taken from nearby hill Zidine, by Banoviciminer – Own work, CC BY 4.0.
Das Foto von Edita Mušić (Aufstieg zum Grab von Petar Pejo Marković auf dem Berg Konjuh) stammt aus: Mušić, Edita; Lawler, Andrew (2018): Monuments and memorials to the people’s liberation war on the territory of Bosnia and Herzegowina – their current status and condition, S. 26.

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